Strenger wie in irgend anderen Städten und Ländern wird auch heute noch in München und Bayern die Bierbrauerei von Seite der Behörden überwacht und kontrolirt. Die genauesten Vorschriften über die Art und Weise des Brauens existiren und müssen peinlich befolgt werden. Wehe, wenn eine amtliche Probe Unregelmäßigkeiten ergibt!
Strenge waren ja nun auch schon die Behörden im alten München, aber wie ganz anders waren damals die "Proben" beschaffen, die in den Bräuhäusern vorgenommen wurden.
"Die Bierbeschauer ("Bierkieser" genannt) mußten bei Ausübung ihres Amtes in hirschledernen Hosen im Bräuhause erscheinen. Hier wurde ihnen eine hölzerne Bank hingestellt, und diese über den Sitz mit ein paar Maß des zu prüfenden Bieres beschüttet. Da hinauf setzten sich nun die Bierkieser und zechten, eine Sanduhr vor ihnen stehend, eine volle Stunde, ohne von ihrem Sitze auch nur im Geringsten zu rücken. War endlich die Stunde abgelaufen, so standen sie zugleich in demselben Momente auf. Blieben sie nun mit ihren "Hirschledernen" an der Bank kleben, so war das Bier gut und "pfennigvergeltlich", war solches aber nicht der Fall, so wurde das Bier als zu leicht befunden und gegen den Bräuer Strafe verhängt".
Ob das Publikum von heute noch mit dieser "Bierkieserei" und vor Allem mit einem derart dicken Stoff zufrieden wäre, das ist wohl zu bezweifeln. Besonders jetzt, wo seit wenigen Jahren ein völliger Umschwung im "Biergeschmack" des Publikums eingetreten ist. Früher kannte man in München nur dunkle Biere (mit Ausnahme des Weizenbieres), aber seit die hellen Biere von Art des Pilsener Bieres mehr in Aufnahme kamen und auch in Wien die alten Brauereien an Stelle des dunklen Bieres helles Gebräu zu erzeugen begannen, da konnte man auch im konservativen München sich dieser Moderichtung nicht völlig verschließen. Nach und nach sotten alle Privatbrauereien helles Bier neben dem dunklen ein - und heute ist das Hofbräuhaus das einzige Bräuhaus, wo kein helles Bier erzeugt wird.
Ein anderes Ereigniß aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts ist noch für die Biergeschichte Münchens interessant: Der große "Salvatorstreit", das heißt: der Kampf um das Recht, den Namen "Salvator" führen zu dürfen.*) Die Zacherlbrauerei, vormals Eigenthum der Gebr. Schmederer, heute Aktiengesellschaft Paulanerbräu (zum Salvatorkeller), hatte sich vor mehreren Jahren jenen von ihr berühmt gemachten Namen als Waarenzeichen patentamtlich schützen lassen und hatte ein Verbot der Führung desselben Seitens der anderen Brauereien erwirkt. Die Letzteren versuchten hierauf, die Löschung des Zeichens "Salvator" beim kaiserlichen Patentamt zu erwirken. Alle Anstrengungen aber, die in dieser Richtung gemacht wurden, blieben erfolglos. Nach nahezu vierjährigem, erbittertem Kampfe erfolgte endlich im Jahre 1899 endgiltige Entscheidung und die Blätter konnten unter dem 18. März berichten: "Nun ist endlich der grimme Streit um das Wort "Salvator" entschieden und zwar zu Gunsten der "Zacherl-Brauerei" Gebrüder Schmederer.
*) Siehe auch Seite 289.