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eine Kirchenmaus, bewohnte am Frauenplatz (in dem Hause, das heute dem Korbwaarenfabrikanten Mosler gehört) ganz oben am Dache einige bescheidene Zimmerchen und hielt sich hauptsächlich dadurch über Wasser, daß er gereimte Bittgesuche um Brennholz, Geld und Eßwaaren zu bestimmten Jahreszeiten an den Kurfürsten richtete.

Um seiner Noth in etwas abzuhelfen, verfiel er auf die Idee, ein - gereimtes Wochenblatt herauszugeben, das den schönen und langathmigen Titel führte: "Münchnerisches Wochenblatt in Versen, Kriegs-, Friedens, in- und ausländische Begebenheiten und Zufälle betreffend. Mit Gnädigstem Consens eines Churfürstlichen Hochlöblichen Hof-Raths verfertiget, und herausgegeben von Mathias Etenhueber."

Darin wurde nun Alles, was in der Welt vorging und an das Ohr des "Churfürstlichen Hofpoeten" drang, in mehr oder weniger schwulstige Alexandriner gepreßt.

Die Zeitung bestand von 1759-1777. Der Herausgeber und Hofpoet war übrigens auch sein eigener Kolporteur. Mit einer großen Mappe unter dem Arm lief er selbst Trepp auf, Trepp ab zu seinen Abonnenten. Zu Reichthümern hat er es damit jedenfalls nicht gebracht.

Die Spielerei der versifizirten Zeitung ist im Grunde genommen überaus bezeichnend für das Bayern der damaligen Zeit.

Zu einem tiefgehenden, ernsten Einfluß auf das Geistesleben, zu einer politischen Mitarbeit bei der Entwicklung des Staatswesens, konnten es die Blättchen, die damals die "öffentliche Meinung" Münchens darstellten, natürlich auch später nicht bringen. Selbst als Karl Theodor gestorben und Max Joseph auftrat, standen einem Aufschwung der Presse noch immer die vielen Hemmnisse veralteter Gesetze entgegen.

Erst als man daran ging, die Verfassung zu schaffen, da war es ganz besonders der Kronprinz Ludwig, der auf freiheitliche Zugeständnisse gegenüber der Presse drang.

"Auch Gewissens- und Preßfreiheit wollte Ludwig jedem Bürger eingeräumt wissen, allein als es dann später zur Berathung dieses Punktes kam, da hatte er seine Ansicht dahin geändert, daß politische Preßfreiheit ohne großen Nachtheil nicht zu behaupten sei, wenn nicht ein deutscher Bundesbeschluß dieselbe gestatte."

Wenn nun auch nicht alles Wünschenswerthe durch jenes Verfassungswerk für die Presse erreicht wurde, so bedeutete es doch einen ganz ungeheuren Fortschritt gegenüber dem anderen Deutschland. Feuerbach*) schreibt nach der Verkündigung der Verfassung (26. Mai 1818) an Tiedge: "Es ist in vieler Beziehung jetzt eine große Freude, Bayern anzugehören. Der Himmel ist heiter, die Lüfte wehen frisch, die Sümpfe sind bewegt und die Nachteulen fliehen in die Finsterniß. Kein Land ist wohl jetzt in Europa, wo freier gesprochen, freier geschrieben, offener gehandelt würde, als hier in Bayern. Man sollte nicht glauben, was ein großes Königswort, wie unsere Verfassung, in kurzer Zeit für Dinge thun kann. Erst mit dieser Verfassung hat sich unser König Ansbach und Baireuth, Würzburg und Bamberg erobert."


*) Anselm Feuerbach, der Verfasser des damals neuen Strafgesetzbuches das an Stelle des Kreitmayr'schen Kriminalkodex trat. Dieser Kodex hatte wieder das bis 1616 geltende "Malefizrecht" abgelöst. Trotzdem das Buch des "bayerischen Drako", Kreitmayr, wesentliche Verbesserungen aufwies, enthielt es noch immer genug des Rückständigen, z. B. die Folteranwendung für "Hexen" und "Ketzer". Die Folter wurde in München und Bayern erst durch das neue Strafgesetzbuch Feuerbachs im Jahre 1813 abgeschafft.

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