420

seinen Aberglauben und seine oft wahrhaft lästerlichen Begriffe von Gott und göttlichen Dingen zur Füllung der eigenen Tasche auszubeuten. Quirinus- und Walburgisöl, Amulette in allen möglichen Farben und Gestalten, Hexenpantöffelchen, Teufelsgeißeln und Monikagürtel, Lukaszettel, geweihte, an Reliquien angerührte Bildchen, wunderkräftige Rosenkränze waren einträgliche Handelsartikel der Klöster, ja von den sogenannten Scheyrer Kränzchen sollen in guten Jahren 40,000 Stück abgesetzt worden sein. Das ganze Ablaßwesen und Lohnbeten nach Hunderten von bezahlten Rosenkränzen war in seiner grassesten Gestalt wieder im Schwunge. Wallfahrten und Bruderschaften, einst aus wahrhaft christlichem Geiste entstanden, wurden auf die empörendste Weise mißbraucht, um auch dem Ärmsten mit der Perspektive jenseitigen tausendfachen Lohnes, diesseits den letzten Kreuzer zu eigennützigen Zwecken oder nutzlosem Prunke abzulocken.

Erst die unter dem Vorsitze des Grafen Spreti niedergesetzte Kommission ermittelte die großen, in den Klöstern aufgespeicherten Reichthümer dieser Bruderschaften und geistlichen Bündnisse. Der Säkularklerus allein hatte in Bayern die Zahl von 10,800 Mitgliedern erreicht, deren jedoch immer Hunderte überzählig waren. Diese bettelten nun, zerlumpt und schmutzig, im Lande herum und wurden an hohen Fest- und Wallfahrtstagen wie Knechte von den Pfarrern zur Aushilfe gedungen. Wahrhaft gotteslästerlichen Unfug trieben die Bettelmönche mit der Unzahl von meist gut bezahlten heiligen Meßopfern, welche oft dutzendweise in eines gefaßt, dargebracht, oder wie ein gewinnbringender Handelsartikel zu Tausenden an ihre Ordensbrüder nach Italien spedirt wurden, wo man sie "billiger" las. Der Anbau des Feldes, nicht des Geistes, war die Hauptsorge der meisten Pfarrer, welche selbst so naiv waren, sich von den Ordinariaten Kapläne auszubitten, die von der Landwirthschaft etwas verstünden. Hier zogen einige mit malerisch gestülpten Hüten, gepuderten Haaren, farbigen Strümpfen und tressenbesetzten Röcken, als galante Gäste der gnädigen Gutsherrschaft, oder, wenn sich's traf, auch in Gesellschaft von Wilderern zur Jagd; dort verbrachten andere ihre Zeit auf der Bierbank in anrüchiger Gesellschaft mit Würfeln und abgerissenen Karten, wieder andere pfuschten als Winkeladvokaten oder, wenn sie siegelmäßig waren, den Notaren in's Handwerk. Die Pfarrwohnungen zeigten sich nicht selten als schmutzige Bauernstuben, in denen Tiere und Menschen in schönster Eintracht lebten; die Kirchen wie vernachlässigte Scheunen, die heiligen Bilder unkenntlich, von Schimmel und Spinnweben bedeckt, die Paramente zerfetzt, der Tabernakel mit dem Allerheiligsten unverschlossen, das Taufwasser voll Würmer. So war es damals im frommen Bayerland mit der Religion und ihren Dienern beschaffen, und diese Schilderung ist nicht etwa das Produkt böswilliger Phantasie, versichert Spruner, sondern meist wörtlicher Auszug aus den Visitationsakten.

Diese Schilderungen sind von doppelter Wichtigkeit, will man einen Schluß auf das allgemeine Geistesleben ziehen - denn wenn es beim Klerus, bei Jenen, die doch an Bildung hoch über der Masse der Bevölkerung standen, so aussah, wie muß es dann anderswo ausgesehen haben.

Die Zahl der Buchhändler in München betrug denn am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nur drei. Von diesen besuchten zwei die Ostermesse in Leipzig.

Diese Funktion nutzt Cookies. Verwenden Sie Lesezeichen nur, wenn Sie mit dem Setzen von Cookies einverstanden sind!

Diese Funktion nutzt Cookies. Verwenden Sie die Suche nur, wenn Sie mit dem Setzen von Cookies einverstanden sind!

Gerne können Sie die Bilder dieses Buches für Ihre eigene Website verwenden. Wählen Sie unten die gewünschten Bilder aus und Sie bekommen qualitativ hochwertige Scans per E-Mail zugesendet. Alles kostenlos, aber mit der freundlichen Bitte um einen Backlink.

Diese Seite enthält keine Bilder!