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Emil Drach aber gab die Sache nicht verloren. In der richtigen Erkenntniß, daß eine moderne Bühne für München ein Bedürfniß sei, bemühte er sich nun, dafür ein neues Heim zu finden. Im Ballsaale der "Centralsäle", einem architektonisch und technisch gleich unglücklichen und unpraktischen Bauwerk, schlug er eine bescheidene Bühne auf, die den Namen "Münchner Schauspielhaus" erhielt. Das Personal war klein, bestand aber beinahe durchwegs aus intelligenten, tüchtigen Kräften, die Sinn und Verständniß für die Literaturbewegung und die Reform der Schauspielkunst mitbrachten.

Cajetan Schmederer.

So hochbegabt nun Drach als Menschendarsteller war, so wenig befähigt war er als Direktor. Ein halbes Jahr hielt er das Schifflein mühsam über Wasser, dann aber war er am Rande seiner finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt.*)

Das "Münchener Schauspielhaus" wäre nun wohl auch unrettbar dem Ruine verfallen gewesen, wenn sich nicht in dem Gutsbesitzer Cajetan Schmederer ein uneigennütziger Helfer gefunden hätte. Er hatte die Lebensfähigkeit und Nothwendigkeit einer modernen Bühne für die "Kunststadt" München mit hellem Blick erkannt und bereits Emil Drach mit namhaften Summen unterstützt, ohne diesen, der ein zwar ideal strebender, aber sehr unpraktischer, zudem schon in seiner Kraft erschöpfter Direktor war, auf die Dauer über Wasser halten zu können.

Nach Drachs völligem Zusammenbruch erkannte Schmederer mit unbeirrbarer Treffsicherheit in J. Georg Stollberg den kundigen Steuermann, der Geschick und Kraft besaß, das vorher so arg gefährdete Schifflein richtig zu steuern.

Im September 1898 übernahm Stollberg die Direktion des Schauspielhauses unter Schutz und Schirm Cajetan Schmederers, der dann später selbst Mitdirektor wurde. Als Mensch still und bescheiden, aber das Herz voll warmer Begeisterung für Kunst und Theater, so mag das Bild dieses modernen Mäcenas auf die Nachwelt übergehen. Die Münchner Kunst von heute besitzt leider nicht viele Gleichdenkende.

Das Münchner Schauspielhaus konnte als finanziell gesichert weiter leben. Und das Glück zog denn auch ein; Hauptmanns "Biberpelz" und "Fuhrmann Henschel", Halbes "Jugend" brachten ausverkaufte Häuser. Die neue Saison schloß mit einem


*) Schwer krank zog er sich zurück. Das viele Unglück, das den Armen durch Jahre hindurch verfolgte, hatte auf seine Nerven zerstörend eingewirkt. Wenige Monate später brach der Wahnsinn offen aus. Man brachte den Unglücklichen in eine Irrenanstalt, wo ihn im Frühling des Jahres 1902 endlich der Tod erlöste.

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