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So wie zu Ende des 18. Jahrhunderts die Sturm- und Drangperiode eine vollständige Umgestaltung der dramatischen Literatur hervorgebracht hat, so versuchte auch im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die neue Schule der Realisten und Naturalisten eine vollkommene Umwälzung der Bühne. Der "Schönrednerei", dem "hohlen Phrasenblech" der Klassiker und ihrer Epigonen wurde Krieg bis auf's Messer erklärt. Wahrheit, Gegenwartsschilderung, Rückkehr zur Natur in Schrift und Sprache, Reform auch der Schauspielkunst, die vom "Jambengesang" und dem hohlen Pathos der nachklassischen Schule wieder zu ächter Menschendarstellung erzogen werden sollte, das wollten sie erstreben.

Emil Meßthaler.

Daß selbst die Wortführer dieser Bewegung und die stärksten, ächtesten Talente darunter in den "Flegeljahren des Naturalismus" über das Ziel hinausschossen und in Schilderung menschlichen Elends und sittlichen Schmutzes mitunter allzu Krasses boten, mußte ihnen natürlich vor Allem die Thore der konservativen Hoftheater verschließen. Die neue Kunst verlangte eine neue Bühne.

In München selbst war dafür vorerst noch keine vorhanden. Das Gärtnertheater hatte nebst seinen Operettensängern nur ein auf Possen und schablonenmäßige Bauernkomödien gedrilltes Personal, zudem war es ja auch noch königliche Bühne - dort konnte die neue Kunst nicht anpochen; also mußte ein ganz neues Haus geschaffen werden.

Und das sollte das "Deutsche Theater" werden. - Der erste Direktor dieses Unternehmens, Emil Meßthaler, kam im Winter 1894 nach München. Seine Erfolge mit dem Gastspiel-Ensemble "Theater der Modernen", mit dem er Halbes "Jugend", Ibsens "Gespenster", Hauptmanns "Einsame Menschen" in zahlreichen norddeutschen Städten zur Erstaufführung brachte, reiften in ihm den Gedanken, in seinem Heimathsorte München eine ständige moderne Bühne zu gründen. - Er besuchte die Baufirma Heilmann & Littmann und proponirte derselben, in München ein "Intimes kleines Theater" zu bauen, welches er pachten wollte. Die Firma refüsirte, machte aber Direktor Meßthaler die Mittheilung, daß Kommerzienrath Haenle beabsichtige, in der Schwanthalerstraße ein Variété zu bauen, und rieth ihm, denselben zu veranlassen, daß er statt einem Variété ein Schauspielhaus erbauen lassen möge.

Vier Wochen später hatte der damals 25 Jahre alte Direktor Meßthaler einen Vertrag abgeschlossen, der ihn ab 1. Oktober 1895 auf zehn Jahre als Direktor des "Neuen Deutschen Theaters" in München verpflichtete.

Als ihm einige Monate später die Baupläne des Theaters vorgelegt wurden, kritisirte er dieselben mit dem inhaltsschweren Worte "Pleite". - Von Haenle aufgefordert, diese Bezeichnung näher zu kommentiren, erklärte Direktor Meßthaler, daß

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