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Wiener Hofburgtheaters gastirte damals auf Einladung Dingelstedts neben ersten Größen verschiedener deutscher Bühnen hier. Mina von Barnhelm, Egmont, Maria Stuart, Kabale und Liebe etc. wurden mustergiltig aufgeführt und der Zudrang des Publikums war ein enormer.

Der große "Macher" Dingelstedt, der sich auf die Reklame verstand, wie damals kein Zweiter, hatte dieses Gesammtgastspiel allerdings mit solchen Tamtamschlägen inscenirt, daß der Widerspruch nicht ausblieb.*) Im Übrigen ging es am Hoftheater den schablonenmäßigen Gang jener Zeit. Man findet neben den Klassikern, neben Hebbel und Gutzkow auch die Birch-Pfeiffer mit zahlreichen Aufführungen, dann Mosenthal bis herab zu lokalisirten Berliner Possen von Kalisch. Von einem großen künstlerischen Zug kann also nicht wohl die Rede sein - das Hof- und Nationaltheater mußte eben damals gar verschiedene Gaumen befriedigen. Ein höherer Zug und ein Streben nach Führung auf dramatischem Gebiete ist erst unter Perfalls Leitung zu spüren.

Karl Freiherr von Perfall wurde am 21. November 1867 (nach Pensionirung des Intendanzrathes Schmitt) zum Intendanten ernannt.**) Eine seiner ersten Thaten war ein Rundschreiben an Deutschlands Dramatiker, das damals viel Aussehen machte und die Blicke auf den hochstrebenden Leiter der Münchner Bühne lenkte.


Gemeindewahlen sind sind ergänzt, habemus papam - wir haben wieder einen Bürgermeister und Alles wird wieder ins alte Geleise zurückkehren!

Sogar acht bis zehn Fremde sind hier eingetroffen, und haben sich, als gegenwärtig die neuesten Merkwürdigkeiten Münchens, gegenseitig betrachtet. Die Aufseher im Glaspalast haben die ungeheure Ironie ihres Daseins abgestreift und wenn man an den Treppen der Gallerien steht, so sieht man, wie die Besucher fortwährend steigen. Mit einem Worte: Es wird wieder schön in München!

Noch ist es Zeit, sich davon zu überzeugen - aber die höchste Zeit! Denn die Industrie-Ausstellung ist kein badischer Kriegszustand, den man alle vier Wochen um einen Monat verlängern kann. Sie schließt am 15. Oktober unwiderruflich und für immer. Wer sich von ihren Fontainen bethauen lassen, wer ihre Orgelklänge noch hören, ihre feenhaften Auslagen noch sehen und den Obelisk von Seife noch riechen will, der eile, sonst donnert ihm entgegen der allgemeine deutsche Schlachtenruf: Zu spät!

*) In Wien spottete man nicht wenig darüber. Der "Humorist" von Saphir nannte es "die dramatische Bambergerkonferenz zu München" und widmete den heimkehrenden Künstlern folgenden schrecklichen Vers:

Die Schauspieler haben gekrissen,
Und haben ein Mäuslein geschmissen,

Jetzt sie nach den Ferien
Zu ihrer Heimath heimkehrien.

Der "Punsch" ruft nicht mit Unrecht: "Herr Saphir, dieser Vers gehört zu Ihren wildesten Rosen!"

**) Die Zeiten, wo ein Hofkavalier Intendant wurde, weil er einen "Steyrischen" spielen konnte, waren vorüber. Baron Perfall hatte in München eine gründliche juristische Bildung erhalten und ging dann nach Leipzig, um unter Moriz Hauptmann Contrapunkt zu studiren. Wie ernst es ihm da mit dem Studium war, beweisen seine zahlreichen größeren und kleineren Tonwerke. Nach München zurückgekehrt, trat er als Dirigent an die Spitze der berühmten "Münchner Liedertafel" und errang sich ferner als Gründer und Leiter des "Oratorienvereins" bleibende Verdienste um das Musikleben Münchens.

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