Die Pflege, die das deutsche Schauspiel im Hof- und Nationaltheater fand, unterschied sich wohl in nichts von der an anderen Hofbühnen gebräuchlichen. Große Neuerungen sind nicht zu verzeichnen, eine führende Rolle im deutschen Geistesleben hat das Theater in den ersten Jahrzehnten seines Bestandes nicht inne gehabt.
In der Zeit, zu Beginn dieses Jahrhunderts wirkte die "Werther-Periode" viel intensiver und langandauernder in ihrem Einfluß, als der "Sturm und Drang".
"Je sentimentaler und rührender die Handlung eines Stückes, desto größer sein Erfolg. Dann ging ein lautes Schluchzen durch das Haus, Frauen und Mädchen zerflossen in Thränen und auch die Männer nahmen keinen Anstand, in ihr Taschentuch zu weinen. Diese Empfindsamkeit hinderte aber das Publikum durchaus nicht, den Leistungen der Bühnenmitglieder gegenüber eine bisweilen mehr als strenge Kritik zu üben, worin es sich selbst durch den laut(!) ausgesprochenen Unwillen des anwesenden Kurfürsten nicht irre machen ließ" So erzählt ein zeitgenössischer Bericht.
Daß man es auch im neuen großen Hoftheater, nach dem berühmten Muster des Grafen Seeau, nicht allzu genau mit der Ehrung hoher Kunst nahm, das beweist am besten die Thatsache, daß hie und da "Artisten" auftraten, so wie wir sie heute in Variétés zu finden gewöhnt sind, ja daß sogar - - Ringkämpfe auf der Bühne des königlichen Theaters stattfanden.*)
Später übernahm Frhr. v. Dingelstedt die Leitung des Theaters und unter ihm fand zum ersten Male die Idee von "Gesammtgastspielen" auswärtiger Bühnen Ausführung.
Es war das im Jahre 1854, anläßlich der in München veranstalteten "Industrie-Ausstellung" im damals neuerbauten Glaspalast.**) Das berühmte Ensemble des
*) So trat am 13. Januar 1841 ein französischer Athlet Jean Dupuis dort auf, der durch Maueranschlag zum Wettkampfe mit ihm aufforderte und demjenigen, der ihn besiege, 500 fl. versprach.
"Ganz München" soll außerordentlich "gespannt" gewesen sein, und es meldeten sich so viele rauflustige Münchner Einwohner, daß man durch das Loos zwei Mann bestimmen ließ, die mit dem Franzosen ringen durften.
Diese Wackeren waren der Bräuknecht Anton Feucht und der "Bierführer" vom Faberbräu Simon Meisinger, genannt Simmerl. Den Bräuknecht "warf" der Franzose nach kurzem Kampfe, aber der Simmerl warf den Franzosen nach wenigen Griffen mit solcher Macht zu Boden, "daß es krachte" und das Publikum vor Entzücken jubelte. Nachher gab es noch ein interessantes Nachspiel, weil der Franzose nicht zahlen wollte. Erst die Polizei machte ihn gefügig, aber da zahlte er unter der Vorgabe, er sei ungerecht angegriffen worden, auch nur die Hälfte. Simmerl nahm zufrieden seine 250 fl. - er war der Held des Tages geworden. Lieder wurden auf ihn gedichtet und man sandte ihm zahlreiche werthvolle Ehrengeschenke. Er ging dann auf "Kunstreisen", kehrte aber wieder nach München zurück und kaufte sich dann von seinen Ersparnissen eine Krämerei am Unteranger.
**) In jene Zeit fällt eine in München ziemlich heftig auftretende Cholera-Epidemie, der auch die berühmte Sängerin Henriette Rettich, eine Zierde der Münchener Oper, binnen wenigen Tagen erlag. Nicht uninteressant ist, was nach dem Erlöschen der Krankheit das damalige "satyrische Originalblatt" der "Münchener Punsch" in seiner Nummer vom 1. Okt. 1854 schrieb:
Es wird wieder schön in München!
Da die Epidemie als solche aufgehört hat und gegenwärtig keine neuen Trauerspiele gegeben werden, so sind 31 Todtengräber als überflüssig ihres Dienstes entlassen worden. Niemals hat eine Brodlosigkeit solche allgemeine Freude erregt.
Die Caféhäuser beleben sich, die Polizeistunden werden wieder übertreten. Man spricht von heitern Gegenständen: von unserer Literatur, vom fechtenden Carlchen, vom bayerischen Landtag u. s. w. Die