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um zu retten, als nur einen Blick nach Oben richten mit den Worten: "Herr Gott, hilf Du!" Das war Alles, was ich vermochte und stumm und still stand ich, mein Unglück zu schauen. Da erkaltete der Feuerstrom - es dringt kein Erz mehr in die Form, ich sehe noch flüssiges Metall auf der Höhe des Kanals - ein Hoffnungsstrahl durchzuckt mein Innerstes; ich steige schnell über den glühenden Kanal, um in die Luftröhren zu sehen. Welch' ein Anblick! - welche Freude! Feurige Augen glotzten mich an aus denselben, und doch so freundlich, so fröhlich! - welch' ein Jubel, als ich ausrief: Glück auf, der Guß ist gelungen! Viel Schmerz, viel Freude habe ich schon erlebt, nie aber einen solchen Wechsel von Schrecken und Freude empfunden. Wie brannte ich vor Neugierde, zu erforschen, wie es zugegangen. Der Druck des Erzes hatte die zwei Fuß dicke Mauer um die Form durchbrochen, 40 Zentner Erz strömten aus der Öffnung, endlich erstarrt die flüssige Masse und erstarrt in einem Momente, wo nicht mehr 50 Pfund hätten aus dem Riß entweichen dürfen - sonst - wäre der Guß mißlungen. Gewöhnlich nennt man so etwas einen glücklichen Zufall, doch mein Gefühl drängte mich, mein Haupt zu entblößen und die tief empfundenen Worte auszusprechen: "Gott, Dir danke ich Alles!" - So war also das schwerste Stück gut gerathen. Der König selbst eilte zur Hebung aus der Gußgrube herbei. Als das Haupt majestätisch emporstieg, tönte aus seiner Höhlung Gesang, als hätte die Riesin selbst Leben und Stimme erhalten. Und als 26 Sänger daraus emporstiegen, rief Ludwig: "Gesehen! Gesehen! - und doch unglaublich!" Der Guß der übrigen Stücke ging verhältnißmäßig schwierig, aber glücklich von Statten. Am 22. Juni 1850 wurde im Beisein des Königs der Rumpf und am 7. August unter allerlei Feierlichkeiten der Kopf aufgestellt. Hierbei nahm man Gelegenheit, dem Publikum einen anschaulichen Begriff von den Größenverhältnissen der Statue zu geben, indem vor Aller Augen 31 Personen in den Kopf stiegen, als dieser noch auf dem Transportwagen stand. *)

Es war selbstverständlich, daß die Münchener Künstlerschaft und das Handwerk mit der Enthüllung des Standbildes ein allgemeines Fest verknüpften. Ihm lag der Gedanke zu Grunde, dem Könige als Kunstfürsten ein sichtbares Zeichen des Dankes vor allem Volke zu geben und zugleich auch den Segen, der aus seinen Kunstunternehmungen geflossen war, zu offenbaren. Rasch war das Arrangement, zu dem die Vorbereitungen des Oktoberfestes auf der Wiese schon eine wirkungsvolle Staffage lieferten, getroffen. Dem verhüllten Standbild gegenüber hielt der von Creling, Herwegen u. A. arrangirte Zug, der ein prachtvolles, farbiges Schauspiel darbot. Voran bewegte sich


*) Die auf 9,5 Meter hohem Piedestal stehende Gestalt der Bavaria ist 20,5 Meter hoch. Sie überragt die Bronzefigur der Germania auf dem Niederwald um das Doppelte. Ihr am nächsten kommt die Hermannsgestalt auf dem Teutberge, die an sich bis zur Helmschmuckspitze nur 17,3 Meter hoch, freilich bis zur Schwertspitze 26,7 Meter Höhe erreicht. Die ganze Statue benöthigte 87,360 Kilogramm Erz, das aus türkischen und norwegischen Geschützen gewonnen wurde. Die Stärke des Metalls an den unteren bis zur Wadenhöhe ausgemauerten Stücken beträgt 1,8 Centimeter, an den oberen 1,2 Centimeter. Im Ganzen besteht die Figur aus 5 Stücken und den beiden Armen, der Löwe aus 3 Stücken und den beiden Tatzen. Enorm sind ihre Kosten, ohne Piedestal. Für das Modell erhielt Schwanthaler 46,000 Mk; die Modellirhütte mit den nöthigen Hebemaschinen kostete 12,600 Mk; das Metall 197,200 Mk.; das Material bei den Gußarbeiten, das von verschiedenen Gegenden Bayerns geliefert wurde, 106,000 Mk; die Werkzeuge 6000 Mk; der Gießerei-Anbau 18,000 Mk.; das Aufstellungsgerüst 3000 Mk. und der Transport zum Standort 600 Mk. Außerdem wurden für sämmtliche Arbeiten während sechs Jahre an die Arbeiter 83,000 Mk gezahlt.

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