Wenn man sich so recht den Unterschied klar machen will, der zwischen heute und der Zeit vor hundert Jahren besteht, so braucht man nur die Rechtspflege von heute und von damals anzusehen. Was hat da ein kurzes Jahrhundert doch für riesige Umwälzungen und Fortschritte gebracht!
Westenrieder gibt in seinem Büchlein über München ein anschauliches Bild über die schier unglaublichen Zustände, die noch unter Karl Theodor in München herrschten.
Er schreibt in dem Kapitel "Gefängnisse, Strafen, Belohnungen":
Standespersonen, so lange sie sich des gerichtlichen Verdachts einer höheren Ahndung und Untersuchung, schuldig zu sein, noch nicht entledigt haben, werden entweder in ihren eigenen Häusern oder auf der Hauptwache oder sonst in einem anständigen Behältniß bewacht.
"Mindere" Personen brachte man in den sogenannten neuen Thurm beim Kostthörl, schwerere Verbrecher wurden sofort nach dem Falkenthurm verbracht, die Militärpersonen nach dem Taschenthurm. Hier waren die Arrestanten mit Ketten geschlossen. "In den engen und ungesunden Keuchen sitzen auch mehre Arrestanten beysamm, und zwar gänzlich ohne alle Arbeit. Noch weniger darf hier jemand Besuch annehmen."
Wem schauert nicht die Haut, wenn er jetzt weiter liest:
"Alle Strafgerichte, und vor allem die peinlichen, werden bey verschlossnen Zimmern gehalten. Wird jemand peinlich eingezogen und ist er eines Verbrechens in dem von den Gesätzen bestimmten Grad verdächtig, so schreitet man mit ihm zur Tortur, deren es verschiedene Grade giebt, von den einige z. B. die ehmalige Folter außer Übung kommen zu wollen scheint. Die gewöhnlichste Art besteht itzt in Ausspannung der Glieder und in Streichen mit Gerten, welches zu drei verschiednen Malen wiederholt wird. Nachdem man den gesätzmäßig Verdächtigten auf alle mögliche Weise zu bereden sucht, daß er bekennen soll und jener darauf verharret, daß er schon wirklich die Wahrheit gesagt, so führet man ihn in die Torturkammer, deren Wände ganz schwarz und um und um mit Lichtern behängt sind. Wo der Angeklagte hinblickt, sieht er peinliche Werkzeuge. Man kleidet ihn aus, legt ihm das Torturhemd an, das auf dem Rücken geöffnet ist, wirft ihn auf eine Bank und bindet ihm mit eignen Stricklein die Hände und Füße so schmerzhaft an die Bank an, daß schon dieser Anfang für eine Art von schwerer Tortur gehalten wird. Wenn nun der ganze Körper auf alle mögliche Art gespannt ist, so versetzt man ihm mit einer dicken Gerte oder Ruthe die zuerkannten Streiche, deren jeder das Fleisch bis auf die Gebeine entzweischneidet. Gemeiniglich besteht die erste Tortur in 30 solchen Streichen. Dieß wird den zweyten Tag oder bald darauf wiederholt und die Streiche werden nicht selten verdoppelt (!!). Die Nacht, ehe die dritte Tortur vorgenommen wird, legt man dem Verdächtigen einen schweren, höchst beschwerlichen eisernen Ring um die Mitte des Körpers, wodurch derselbe auf eine peinliche Art zusammengepreßt wird. Dazu kommen zuweilen eiserne Handschuhe, deren Last sehr ermüdend ist. So vorbereitet (!) führt man jenen das dritte Mal in die Torturkammer Nachdem er wieder hergerichtet ist, ergreift ihn der Nachrichter um die Mitte und setzt oder wirft ihn auf ein Brett, oder Stuhl, aus welchem eiserne Spitzen herausgeben, und ihm in das Fleisch dringen.