178

Unglücksgefährtin, die schon dreizehn Jahre an diesem Orte des Schreckens schmachtete. Drei Jahre und acht Monate hatte Magdalena in vollkommener Finsterniß zugebracht; ihre Gefährtin, die schon schwachsinnig und vollständig gelähmt gewesen, war mittlerweile gestorben, als eines Tages ein im Kloster beschäftigter Schornsteinfeger das Jammern und Wehklagen der Eingekerkerten vernahm. Er erinnerte sich des Gerüchtes von der Flucht der Schwester Magdalena und erstattete Anzeige beim Stiftsdekan, der seinerseits dem kurfürstlichen Minister Mittheilung machte. Ein weltlicher und ein geistlicher Kommissär begaben sich mit einem Aktuar, einem Amtsdiener und dem Schornsteinfeger ins Kloster, fanden dort - freilich erst, als mit ernsteren Maßregeln gedroht wurde - von der Äbtissin geführt, die arme Magdalena mit den Lumpen des zerrissenen Ordenskleides angethan, auf faulem Stroh, und ließen die Gelähmte auf einer Tragbahre in das Spital der Elisabethinerinnen bringen. Erst nach sechs Jahren gewann sie wieder so viel Kraft, daß sie gehen konnte. Ihre Haft hatte beinahe achtzehn Jahre gedauert!" ---*)

Nach dieser kleinen Abschweifung sei aber wieder zur Schilderung des "deutschen Rom" zurückgekehrt. Daß München eine strengkatholische Stadt war, das konnte der Fremde nicht nur aus den zahlreichen, glanzvoll dotirten Kirchen und Klöstern ersehen, sondern auch aus der Art und Weise wie die kirchlichen Feste und öffentlichen Umzüge in prunkvollster Weise nach außen hin gefeiert wurden.

Da war vor Allem die Frohnleichnams-Prozession, die mit unglaublicher Pracht begangen wurde. Eine Vorschrift vom Jahre 1590 bestimmte, daß "die Person Gottes des Vaters lang, gerade, stark und wohlformirt sein müsse, fast einer solchen Gestalt wie der alte Doktor Six seligen Angedenkens ausgesehen". Diese Prozession


*) Dieses Kloster weist übrigens eine besondere Berühmtheit auf, die Schwester Clara Hortulana von Empfach (eingetreten im Jahre 1680), über die der Chronist Kirchhueber in seinem Buche vom "gnaden- und tugendreichen Anger" gar merkwürdige Dinge zu erzählen weiß. So heißt es u. A.: "Als sie einmal an einem Sonntag mit den anderen Schwestern durch den Kreuzgang in den Chor ging, um eine hl. Messe zu hören, kam der Satan, nahm sie bei der Mitte, entriß ihr das Kreuz und führte sie mitten aus den Schwestern auf das Dach, wo er sie hilflos liegen ließ. Also verlassen betete Clara zur Mutter Gottes und ihrem hl. Schutzengel um Hilfe, welche wirklich alsbald erschienen. Die hl. Jungfrau übergab ihr das ihr vom Satan genommene Kreuz, segnete sie damit und sprach: "Dieser Engel wird Dein Beschützer sein!" Derselbe nahm die vor Furcht und Schrecken zitternde Klosterfrau bei der Hand und führte sie dem Chore zu, wobei er unterwegs gar auferbauliche Reden führte, sie namentlich ermahnte, eifrig für die Todsünder und die armen Seelen im Fegefeuer zu beten. Als sie in den Chor kamen fand gerade die hl. Kommunion statt, so daß Clara Hortulana an derselben theilnehmen konnte." An anderer Stelle heißt es wieder: "Ein ander Mal, als der Teufel sie mit einem hölzernen Schlegel auf die Brust schlug (!), daß sie eine halbe Maß Blut verlor und so erkrankte, daß man nicht wußte, wann sie abscheiden würde, rieb eine Unsichtbare Hand ihre Brust mit solchem Erfolge ein, daß sie augenblicklich genaß." Der Höhepunkt der Schilderung ist aber in Folgendem enthalten: "Da Clara Hortulana viele Jahre lang Begierde nach dem Martyrium getragen, wurde sie, nachdem der Satan ihr einmal während des Chorgebets einen Schlag auf die Stirn gegeben, daß ihr bis zum Tode ein Brandmal davon blieb, ihrem Schutzengel zum Martyrium (!) übergeben, der sie in Gegenwart von drei Schwestern vom obern in den untern Chor und hier an ein Pult warf, so daß sie an der Schläfe eine große Wunde bekam, aus welcher sich all ihr Blut ergoß, womit sie ihr Leben endete. Ihre Seele wurde (nach der Offenbarung (!) einer anderen, ebenfalls im Rufe der Gottseligkeit verstorbenen Person) von den Engeln in die ewige Freude getragen, wobei sie das Jungfrauen- und Martyrkränzel trug." Daß derartige, ebenso rohe als lächerliche Geschichten zu Anfang des 18. Jahrhunderts geschrieben und - geglaubt werden konnten, nimmt ja wohl nicht Wunder, aber daß am Ende des 19. Jahrhunderts z. B. Forster in seinem "gottseligen München" diesen abscheulichen Unsinn wieder mit ganz ernster Miene nacherzählt, das ist wohl auch ein kulturhistorisch interessanter Beitrag zu der gepriesenen Geisteshöhe der aufgeklärten Gegenwart.

Diese Funktion nutzt Cookies. Verwenden Sie Lesezeichen nur, wenn Sie mit dem Setzen von Cookies einverstanden sind!

Diese Funktion nutzt Cookies. Verwenden Sie die Suche nur, wenn Sie mit dem Setzen von Cookies einverstanden sind!

Gerne können Sie die Bilder dieses Buches für Ihre eigene Website verwenden. Wählen Sie unten die gewünschten Bilder aus und Sie bekommen qualitativ hochwertige Scans per E-Mail zugesendet. Alles kostenlos, aber mit der freundlichen Bitte um einen Backlink.

Diese Seite enthält keine Bilder!