Durcheinanderschreien, gegen die Räthe erhoben sich drohend die Fäuste, und von allen Enden des Saales tönten die Rufe: "Schlagt ihnen die Köpfe ab!" Nach stundenlangem wüsten Hin und Her kam endlich der Beschluß zu Stande, daß ein Ausschuß von 60 Männern gewählt werde, der zusammen mit dem Rathe die Prüfung der Bücher vollenden sollte. Aber es war zu friedlichem Ausgleich eben schon zu spät und die Katastrophe trat schon wenige Tage nachher ein, am Samstag den 20. April, als sich die Räthe aus formellen Gründen weigerten, mit dem Volksausschusse zu berathen. Wie ein Lauffeuer ging diese Nachricht durch die Stadt, überall wildeste Erbitterung hervorrufend. Ganz wie von selbst eilten die Zünftler aus ihren Werkstätten in ihre Zunfthäuser, bewaffneten sich und dann ging’s grimmen Auges zum Rathhaus, wo ein Rest der Patrizier in Todesängsten versammelt war, während viele Andere schon in aller Stille sich geflüchtet hatten. Auf dem Platze vor dem Rathhause drängten sich unterdessen die Gewaffneten und wilde Zornrufe erfüllten die Luft. Von keinem Frieden, von keiner friedlichen Beilegung des Streites oder Prüfung der Bücher wollte das Volk jetzt mehr etwas wissen, nein, große Auskehr sollte gehalten werden und die Tyrannen und Bedrücker wollte man ein für alle Mal davonjagen. Eine kleine Deputation wehrhafter Bürger begab sich hierauf in den großen Saal, wo die Räthe völlig rathlos und entsetzt beisammen saßen, und verlangte von dem Bürgermeister Karl Ligsalz die Herausgabe der Schlüssel zu den Stadtthoren und den Sturmglocken und das Stadtbanner Der Stadtrath sagte in seinem Entsetzen natürlich zu Allem Ja und lieferte das Verlangte aus. Es war das symbolisch der vollständige Verzicht auf die Stadtgewalt und thatsächlich war von diesem Moment an die Gewalt der Patrizier für immer gebrochen.
Es würde zu weit führen, und wäre wohl auch kaum interessant, wollten wir auf die weiteren Details dieses sich noch durch vier Jahre hinziehenden Streites eingehen.*)
Es spielten da auch sehr viel die Zwistigkeiten mit, welche die damals regierenden vier Herzöge beständig um Land und Leute hatten.
Als Ludwig der Bayer hochbetagt sein Ende nahen fühlte, da hatte er in trüber Ahnung kommender Ereignisse von seinen Söhnen das Versprechen verlangt, durch zwanzig Jahre das Land ungetheilt zu lassen.
Wie aber damals die Eltern geehrt und geachtet wurden, das hat das Beispiel Herzog Rudolfs glänzend gezeigt. Unmittelbar nach dem Tode ließen die Söhne zwar ihre Theilungsgelüste schweigen und die beiden Ältesten führten gemeinsam die Regierung; aber nur zu bald geriethen die Brüder in Streit und die Zersplitterung Bayerns begann. Es ist hier nicht möglich, denn es würde auch nur ermüdend wirken, alle Einzelheiten der Kämpfe aufzuzählen: es genüge die Thatsache, daß vom Jahre 1347 (dem Todesjahre des Kaisers) bis 1400 nicht weniger als achtmal die Regierungsgewalt unter den streitenden Brüdern wechselte.
In dieses tolle Treiben war München stets hineingezogen, denn diese Stadt wollte jeder der Herzöge wegen ihrer Stärke, ihrer Wehrhaftigkeit und ihrer Schönheit in erster Linie besitzen.
*) Wer sich für eine bis in's Kleinste gehende Geschichte dieser Wirren interessirt, dem sei Dr. Wolffs Chronikenwerk empfohlen, in dem das ausführliche Schriftstück Katzmair's sammt eingehender Kritik abgedruckt ist.