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Von einer Seite überschwänglich gefeiert, von der anderen mit allen Höllenflüchen beworfen, so existirte das Blatt etwa zwei Jahre, ohne aber durchgreifenden Erfolg zu haben. Dazu half erst der Eifer der sächsischen Staatsanwaltschaft in Leipzig.

Der "Simplicissimus" wurde nämlich in Leipzig gedruckt und in München verlegt. Daher leitete die Leipziger Staatsanwaltschaft ihre Berechtigung ab, das Blatt nicht nur zu konfisziren, sondern auch gegen Verleger, Mitarbeiter und Zeichner strafrechtlich vorzugehen.

Das Blatt hatte in hohen und höchsten Kreisen - namentlich in Norddeutschland - mächtig verschnupft, und die "Gutgesinnten" waren nicht wenig erfreut, als der Leipziger Staatsanwalt plötzlich so forsch herüber nach Bayern griff, um sich die Übelthäter aus der Redaktion des "Simplicissimus" herauszuholen.

Der Verleger Langen flüchtete erst nach der Schweiz, dann nach Paris. Th. Th. Heine, der einige der beanstandeten Bilder gezeichnet, wurde verhaftet und wegen Majestätsbeleidigung in Leipzig vor Gericht gestellt. Auch gegen den Schriftsteller Frank Wedekind erging Haftbefehl, und die Münchner Polizei sollte ihn im "Schauspielhause" dingfest machen, wo er eben in einem Stücke eigener Dichtung als Schauspieler mitwirkte. Da gab es nun eine Komödie in der Komödie, die damals den Münchnern nicht wenig Stoff zum Lachen bot.

Über Ersuchen der Direktion hatten die Polizeibeamten nämlich von der Verhaftung während der Vorstellung selbst Abstand genommen, um keinen Theaterskandal hervorzurufen. Sie postirten sich hinter die Coulissen - aber im Zwischenakt übernahm schnell ein anderer Schauspieler Wedekinds Rolle und spielte in seiner Maske weiter. Wedekind selbst klebte sich einen Vollbart auf und ging ungehindert an den Polizisten vorbei hinaus in's Freie.

Alle diese Vorfälle machten in ganz Deutschland ungeheures Aussehen; der "Simplicissimus" hatte damit die beste kostenlose Reklame erhalten und seine Auflage stieg damals binnen wenigen Wochen auf 70,000 Exemplare. Und auf dieser Höhe hat sich das Blatt bis heute gehalten.

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