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gleichnamigen Wiener Blattes), hatte ebenfalls großen Erfolg und weist heute über 100,000 Abonnenten auf, die sich größtentheils aus bäuerlichen Kreisen rekrutiren.

Eine ganz besondere Stellung nimmt unter den Münchner Tagesblättern das von Dr. J. B. Sigl im Jahre 1868 gegründete "Bayerische Vaterland" ein. Es ist in der politischen Tagesliteratur ebenso ein Unikum wie seiner Zeit die gereimte Zeitung des Hofpoeten Ettenhueber. Entsprossen jener traurigen Epoche deutscher Geschichte, wo der Norden und Süden Deutschlands sich feindlich gegenüberstanden, schlägt es noch heute in bajuvarischer Derbheit gegen Preußen los, wenn es von dieser Seite die Reservatrechte Bayerns gefährdet glaubt. Streng katholisch in seinem Empfinden, ist es doch der grimmigste Gegner der herrschenden Centrumspartei in Bayern. Doch nicht die politische Seite an sich ist das Merkwürdige an diesem Blatte, sondern die ganze Art und Weise seiner journalistischen Ausdrucksmittel, die stets so durchaus originell waren, daß man das "Vaterland" wohl als einzig in der Tagesliteratur bestehend bezeichnen muß. Von der Parteien Haß und Gunst verzerrt, schwankt natürlich auch das Charakterbild Dr. Sigls noch in der Geschichte - aber auch seine Feinde werden es ihm lassen müssen, daß er über ein umfassendes Maß von Wissen und einen stets schlagfertigen, siegreichen Witz verfügte. Wie sein Blatt selbst, so war auch er als Mensch ein Original.*) Wer den liebenswürdigen, jovialen Mann kennen lernte, der blickte erst wohl recht verwundert drein, denn den schneidigen journalistischen Kämpen, der so göttlich grob sein konnte, den hatte sich Jeder wohl anders gedacht. - Als Dr. Sigl im Sommer 1900 schwer erkrankte, da hieß es allgemein, daß sein


*) Ein außerordentlicher Hundefreund, hatte er stets zehn bis zwanzig Hunde in seinem Besitz. Als der Verfasser den alten Herrn einmal in seiner Wohnung (Damenstiftstraße 12) besuchte, da bestand die Meute eben aus dreizehn Stück der verschiedensten Rassen. Aus allen Ecken kamen sie kläffend hervor; in einem Zimmer waren gar eigens einige alte Divans aufgestellt, wo sie sich in den "Eingeweiden" Nester gegraben hatten. Und voll Stolz und lachender Freude stellte Dr. Sigl jeden einzelnen Vierfüßler mit Namen vor.

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