Ehren neben diesen hervorragenden Zierden im deutschen Blätterwalde bestehen kann. Und wenn man wieder zurückgreift auf den Eingangs citirten Satz des österreichischen Politikers, dann kann es für den Chronisten nur doppelt erfreulich sein, festzustellen, daß auch die allgemeinen politischen Verhältnisse, unter denen in diesen Blättern "Politik gemacht" wird, derartige sind, daß München und Bayern ganz zufrieden sein kann.
Man braucht ja gewiß nicht das Deutschland von heute als das staatliche Ideal für geistige Freiheit und edle Unabhängigkeit zu preisen, aber wenn wir von den heute in München erscheinenden Zeitungen und den darin freimüthig vertretenen Anschauungen z. B. nur nach dem benachbarten Österreich blicken, so fällt der Vergleich wohl sehr zu Gunsten Bayerns aus.*) Übrigens braucht man gar nicht über die Grenze des Deutschen Reiches zu schielen - Preußen selbst und die von seinen Staatsanwälten geübte Censur zeigen ja nur zu deutlich alle Tage den wohlthuenden Unterschied, der zwischen Süd- und Norddeutschland in der Auffassung über geistige Freiheit oder "nöthige Bevormundung" der Presse existirt.
Ein Gefühl vermehrten Stolzes kann aber den modernen Münchner erfüllen, wenn er die heutige geistige Höhe betrachtet, wie sie sich ja in der Presse stets am klarsten kundgibt, gegenüber den Zuständen, die noch vor hundert Jahren unter Karl Theodor hier herrschten.
"Brutale Nachahmung französischer Civilisation, mit Vorliebe des Absolutismus, konsequenterweise daraus hervorgehende Verachtung aller Menschenrechte, Soldatenhandel, Maitressenwirthschaft, Fäulnis am Beamtenorganismus und allgemeine Verluderung waren die allgemeinen Losungsworte."
Eine "öffentliche Meinung" aber, die mit flammenden Worten dagegen aufgetreten wäre, die durfte es einfach nicht geben, denn der Kurfürst hatte in den letzten Jahren seiner Regierung sogar das Verbot erlassen, in München Zeitungen zu halten oder auch nur zu lesen.**)
Die Münchner mußten also in das nahe Oberföhring gehen, wenn sie Zeitungen lesen wollten. Dieser Ort gehörte nämlich zum Bisthum Freising und dort war die Censur viel milder. (!)
*) Sehr bezeichnend ist da z. B. was die "Wiener Rundschau" im Aprilheft 1897 in einer Besprechung des Zeichners Th. Th. Heine, des bekannten Illustrators des "Simplicissimus", sagt: Auf die hohen und höchsten Herrschaften schließlich hat es der radikale Zeichner besonders scharf; aber dieses Thema ist für Österreich gar zu heikel und confiszirlich. ..." - In Österreich wäre das Erscheinen eines Blattes von der Tendenz des "Simplicissimus" denn auch thatsächlich unmöglich.
**) Schon am 15. März 1779 verbot ein kurfürstliches Mandat allen Buchdruckern in Bayern, ohne Bewilligung des Censurkollegiums oder sonstigen kurfürstlichen Spezialbefehl, irgend etwas zu drucken. Am 26. September 1780 wurde diese Verordnung neuerlich und verschärft wiederholt. Das Censurkollegium selbst verwahrte sich gegen die darin enthaltene neue Beschränkung, welche die Erlaubnis gewisser Schriften an die vorherige Berathung mit dem einen oder anderen Ordinariat band. "Es werde dahin kommen" - hieß es - "daß die stets des Druckes begierigen Schriftsteller, der Verschleppungen und Chikanen müde, ihre Werke ohne Censur im Auslande würden drucken lassen, was bald den Ruin des inländischen Buchdruckereigewerbes herbeiführen müsse." Und weiter hieß es: "Wir wissen, was zum Glauben und Religion direkte gehört, aber auch was man durch die Worte indirekte oder quasi zum Schaden der Gerechtsamen der weltlichen Macht dahin zog." Das war noch eine Sprache, die den freien Geist der jungen Akademie der Wissenschaften athmete. Und die Antwort? Im Jahre 1783 das weitere Verbot, weder in Zeitungen und Intelligenzblättern irgend ein Buch oder eine Druckschrift anzukündigen. Und so ging es fort bis zum vollständigen Verbot des Zeitungslesens überhaupt.