kommt über die Bühne nicht hinaus." Da war es Anselm Feuerbach, der es unternahm, die Renaissance von Neuem zu beleben. Nicht im Äußern suchte er die Originalität, sondern darin, daß jedes seiner Kunstwerke, "aus der tiefsten Seele des Menschen" komme. Er fand die Natur in den alten Meistern wieder und unter ihrer Führung gelangte er zu ihr selbst zurück. Sein Wollen ward nicht verstanden. Sie sagten ihm, seine Kunst sei nicht im Rapport mit der Zeit, mit dem Leben. Er erwiderte, "ein ganzes Füllhorn schöner Gaben sei bereit, auszuströmen, wenn Jemand sich die Mühe nehmen wollte, nur die Hand hinzuhalten". Dies war 1859. Aber in allen Verhältnissen blieb ihm Eines - die Natur. "Wie in mir eine Fundgrube poetischer Dinge schlummert, die ihrer Auferstehung harren, so ist es vor Allem jenes unbesiegbare Naturgefühl, welches hervorbrechen wird als Individuum - bald - so hoffe ich." Das war 1860. Aber erst zwanzig Jahre später, kurz vor seinem Tode, streckte nach dem Vorangehen des Grafen von Schack wieder einer die Hand hin: "Der König von Bayern hat königlich gehandelt. So ist nun die zehnjährige Wanderschaft der Medea zu Ende und sie hat ihre Heimath gefunden. Glaube mir, nach fünfzig Jahren werden meine Bilder Zungen bekommen und sagen, was ich war und was ich wollte."
Also nach fünfzig Jahren! Woher aber kam dieses Nichtverständniß, mit welchem Feuerbach sein ganzes Leben zu kämpfen hatte? Die Zeit stand unter anderer Herrschaft. Die romantische Lebensanschauung hatte ihren Weg zu vollenden, sie erreichte damals das Gebiet der Musik, der romantischsten aller Künste. Hier fand sie naturgemäß den günstigsten Boden zu ihrer ferneren Entwicklung; denn nicht an Begriffe und Logik gebunden, wie sie auf dem Gebiete der Poesie es immer noch blieb, fand sie hier jene reichen, eine Welt der Wunder glaubhaft machende Mittel, die ihr den Weg in das Reich des Phantastischen und Überschwänglichen unendlich weit erschlossen. Was die Musik hier wagen konnte, war keiner anderen Kunst vergönnt, da die Musik hier vielfach nicht einmal die Schranken zu überschreiten brauchte, die auch ihr, wie allen Künsten, durch die Ausdrucksfähigkeit ihres Materials gezogen sind. . . .
Der Name des deutschesten aller Maler jener Epoche am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, Cornelius, und der des deutschesten aller Fürsten jener Zeit, Ludwig I., werden immer miteinander verknüpft bleiben.
Im engen Rahmen eines vereinzelnten Kapitels, wo die Kunstentwicklung durch mehrere Jahrhunderte in großen Zügen gezeigt werden soll, ist es nicht möglich, das große Lebenswerk Ludwigs I., seine in's Riesenhafte gehenden Verdienste*) um die deutsche Kunst auch nur annähernd zu würdigen. Aus diesen Ausführungen sowohl, wie aus dem Folgenden ergibt sich in der Zusammenfassung aber doch wohl ein Bild davon, was "Ludwig in dem von den Musen fast verlassenen Bayern wirkte" und was ihm nicht nur München und das Bayerland, sondern das ganze Deutschland zu danken haben.
Die Entwicklung der bildenden Künste in München innerhalb des 19. Jahrhunderts bezeichnen nach Außen hin drei große Marksteine: die Errichtung der Akademie
*) Wer sich detaillirt über die Kunstschöpfungen Ludwigs I. informiren will, dem seien die Werke Reidelbachs und Sepps empfohlen.