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Das war nun wieder für Neid und Mißgunst ein willkommener Anlaß, um wie wüthend über den "arroganten Meister der Selbstüberhebung" herzufallen.

König Ludwig aber war so empört über alle diese Vorkommnisse, daß er nie wieder eine Theatervorstellung besuchte, bei der auch Publikum anwesend war.

Seit damals war er der "große einsame Mann" geworden, als der er heute der Geschichte angehört.

Richard Wagner war todt. Sein Geist aber lebte noch fort. Seine Reformen hatten das Gebiet der Oper völlig umgestaltet, die andern Tonkünstler aber auch aufgerufen zum Kampfe für das moderne Musikdrama. Auch in München fand Richard Wagner unter der schaffenden Musikerwelt Nachfolge. Wenn auch nicht plötzlich, so bildete sich doch allmälig ein Kreis von Komponisten heraus, die mit feinem Empfinden und redlichem Wollen das neue Drama zu pflegen und zu erweitern suchten.*) An München sind vor Allem die beiden Namen Peter Cornelius und Alexander Ritter geknüpft. Wenn auch nicht zeitlebens, so verweilten sie doch länger in Bayerns Hauptstadt. Manch bedeutender Einfall ist ihnen hier gekommen, manche neue Ideen konnten sie hier ausführen. Cornelius (1824-1874) ist der Schöpfer des von einer wundervollen Heiterkeit erfüllten "Barbier von Bagdad" sowie einiger "Weihnachts"- und "Brautlieder", Alexander Ritter (1833-1896) durch seine Opern: "Der faule Hans", "Wem die Krone" und durch symphonische Tondichtungen ("Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe" u. a.) bekannt geworden. Bei beiden Tondichtern tritt so recht klar das Bestreben zu Tage, den Text sinngemäß zur Musik zu stellen, nicht eine Schönheit um jeden Preis zu erreichen, sondern die Wahrheit. In dieser Weise wurde Ritter auch der Mentor und Lehrer eines jungen Münchners, Richard Strauß, dessen große Fähigkeiten trotz seiner beiden Opern, "Guntram" und "Feuersnoth" doch auf das Gebiet der Symphonik hinweisen. Eine rein dramatisch veranlagte Natur besitzt München dagegen in Max Schillings. Es ist merkwürdig, daß nord- und ostdeutsche Künstler ihr Dach nicht selten im Süden aufschlagen. München, der Wirkungskreis Richard Wagners unter der Ägide des hochherzigen König Ludwigs II., zieht die Musiker immer wieder an. So kam der Rheinländer Schillings (geb. am 19. April 1868 in Düren) schon als Student nach München, hörte an der Universität juristische und philosophische Kollegien, komponirte aber schon an einem Musikdrama, zu dem Graf Sporck den Text beigesteuert hatte, an der "Ingwelde." Dieses Werk, das 1890 begonnen, 1894 bereits in Karlsruhe, später erst in München aufgeführt wurde, machte berechtigtes Aufsehen, weil es nicht mehr wie bisher bei den meisten zeitgenössischen Komponisten, die Reminiscenzen, sondern die Konsequenzen Richard Wagners in sich vereinigte. Ganz unter dem Banne des Bayreuther Meisters steht


*) Die folgenden Ausführungen über das Musikleben der neuesten Zeit verdanke ich in der Hauptsache dem Münchner Komponisten und Musikschriftsteller Dr. Ludw. Schiedermair, der einerseits durch zahlreiche Kompositionen (Lieder, Oper: "Die Unnützen"), andrerseits durch kritische Essays, Abhandlungen etc. vor die Öffentlichkeit getreten ist.

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