er eine telegraphische Einladung an Richard Wagner ergehen ließ und überdies noch einen Kammerherrn mit einem begeisterten Briefe an ihn sandte.*)
Richard Wagner kam und wurde von Ludwig mit königlichen Ehren empfangen.
Der Dichterkomponist schrieb damals darüber: "Er hat mich mit einem Füllhorn der Gnade überschüttet. Heute wurde ich zu ihm geführt. Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, daß ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen. Er liebt mich mit der Innigkeit und Gluth der ersten Liebe. Er will, ich soll immerdar bei ihm bleiben, arbeiten, ausruhen, meine Werke ausführen. Er will mir Alles geben, was ich dazu brauche. Ich soll die Nibelungen fertig machen, und er will sie aufführen, wie ich will. Das Undenklichste und mir doch einzig Nötige ist Wahrheit geworden. Im Jahre der ersten Aufführung meines "Tannhäuser" gebar mir eine Königin den Genius meines Lebens. Er ist mir vom Himmel gesendet. Durch ihn bin ich und verstehe ich mich erst ganz."
Wagner bezog in der Briennerstraße eine kleine Villa (links neben den Propyläen, dicht an der Schack-Gallerie) und machte sich jubelnden Herzens daran, die großen Pläne auszuführen: Tristan und Isolde, Meistersinger, Nibelungen, Parsifal . . . .
Aber dem Ruhelosen sollte auch hier keine Ruhe beschieden sein.
Das Verhältniß des Königs zu dem Künstler mußte ja natürlich am Hofe Neid und Mißgunst hervorrufen. Weitere Kreise wurden in München gegen Wagner erregt, als bekannt wurde, daß er des Königs Herz nicht nur für rein künstlerische Dinge gewonnen, sondern auch Einfluß auf die politischen Verhältnisse nehme. Die Ultramontanen waren eifrig am Werk, den "Freigeist" zum Antichrist zu stempeln und seine Musik "voll teuflischer Sinnlichkeit" als eine Ausgeburt der Hölle zu schildern.**)
Wer heute die Verhältnisse jener Tage ruhig und leidenschaftslos betrachtet, wird sagen müssen, daß Wagner nicht von aller Schuld freizusprechen ist, denn er beschränkte sich thatsächlich nicht auf die ursprünglichen, rein künstlerischen Ziele, wie Errichtung des Festspielhauses am Gasteig und Gründung einer deutschen musikalischen
*) Die gefeierte Tragödin Fanny Janauschek, ein Stern der Münchner Bühne zu Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, erzählt auch ganz Interessantes über diese ersten Kunstthaten des jungen Königs: "Ich spielte in München zuerst vor seinem Vater, dem König Maximilian. Ludwig war damals bald 18 Jahre alt, aber sein Vater wollte nicht, daß er in das Theater ging. Und doch liebte er das Theater damals schon so sehr, daß er sich von dem Dekorationsmeister kleine Modelle und Scenerien aus seinen Lieblingsstücken machen ließ. Nachdem der König gestorben war, sandte König Ludwig zwei Telegramme ab, eins an Wagner und eins an mich. Ich kehrte sofort nach München zurück und spielte im Ganzen ungefähr zwanzig Stücke vor dem König. Ach, er war ein schöner, schöner Mann! Jeden Tag pflückte er eine Hyazinthe in den Gärten des Palastes und sandte sie mir in meine Garderobe. Er liebte es bekanntlich nicht, vom Publikum gesehen zu werden, und viele der Vorstellungen fanden vor ihm allein statt. In dieser Weise habe ich vor ihm die Iphigenie dargestellt, und ich kann wohl sagen, daß ich die Zuschauer nicht vermißt habe. Auf seinen Wunsch ließ ich mich in allen meinen Rollen photographiren. Diese Bilder wurden in einem großen Album vereinigt und ihm überreicht. Noch jetzt bewahre ich einige dieser Photographien auf. Es geschah auch auf seinen Wunsch, daß die alten griechischen Tragödien nach antiker Art vor ihm aufgeführt wurden. Hier feierte ich einen großen Triumph als Antigone. Der Erfolg war so groß, daß die Anwesenden mich durch wiederholte Rufe zwangen, vor dem Vorhang zu erscheinen, obwohl eigentlich bestimmt war, daß wir bei dieser Gelegenheit nicht den Hervorrufen Folge leisten sollten. Ja, das waren glückliche Tage! Außer der Antigone habe ich die Medea, die Phädra und die Iphigenia vor König Ludwig dargestellt."
**) Aber nicht nur ultramontane Blätter gefielen sich in solchen Ausdrücken. Ein "liberales" Blatt sagte z. B. über Wagner: "Die verrückte, unmenschliche Kunst des ,Meisters' hat den Sänger getödtet", als Schnorr v. Carolsfeld, der erste Tristan, vier Wochen nach der ersten Aufführung starb.