"Es war in den ersten Oktobertagen des Jahres 1846, daß die Tänzerin nach München kam," erzählt Schwann. "Ein Weib voll Schönheit, geistiger Begabung, bizarrer Phantasie und südlichfeurigem Temperamente, mußte sie auf den König-Künstler, als sie ihm vorgestellt wurde, den tiefsten Eindruck machen. Und Ludwig gab sich diesem Eindrucke mit feuriger Herzhaftigkeit hin:
"In dem Süden ist die Liebe,
Da ist Licht und da ist Glut . . ."
sang er und pries die Andalusierin "schlank und zart, wie die Gazelle".*) Das ging Niemanden etwas an, aber spießbürgerliche Prüderie, Klatsch und Gemeinheit steckten die Finger in die Sache, und der Gestank brach aus und verbreitete sich über ganz Bayern."
Lola Montez, spätere Gräfin Landsfeld.
"Als Mensch angegriffen, nahm Ludwig den König zu Hilfe, um die Rechte des Menschen zu schützen."
Über die Vorgeschichte des Sturmes gegen Lola Montez und die dadurch bedingte Abdikation des Königs, sowie über die damalige politische Lage in München, gibt Heigel ein anschauliches Bild: "München war das Asyl für alle hierarchischen Planmacher geworden, hier war eine Kongregation versammelt, die sich aus allen Ländern und allen politischen Parteien rekrutirte. Das Häuschen des deutschen O’Conell, Joseph Görres an der Schönfeldstraße, sah in seinen Räumen französische Legitimisten, radikale polnische Emigranten und Schweizer-Jesuiten. Ihre Organe führten den heftigsten Kampf gegen den Liberalismus, gegen die "Götzendiener der gottleugnenden Vernunft" und verfolgten mit Strenge jeden Schritt der
*) Merkwürdigerweise kommt erst jetzt, nach mehr als 50 Jahren ein genauer Bericht in die Öffentlichkeit über die Art und Weise wie König Ludwig I. die Montez kennen lernte. Er stammt aus dem Geheimarchiv des Wiener Polizeiministeriums das im Jahre 1847 von seinem in München lebenden Beamten (der Mann nannte sich Hineis) auch darüber eingehend Bericht erhielt. Es heißt da: "Als die Lola im vorigen Jahre nach München kam, wollte sie im Theater tanzen, was ihr jedoch von der Intendanz nicht gestattet werden wollte. Sie verfügte sich hierüber sogleich zu dem König, hatte gleich im Vorzimmer mit dem dienstthuenden Kammerdiener einen heftigen Streit, weil er sie nicht vorlassen wollte, bis endlich der König, von dem anmaßenden und kecken Auftreten unterrichtet, befahl, sie vorzulassen, er würde ihr schon selbst den Kopf waschen. Als sie eintrat, war der König sichtlich überrascht und sogleich für sie eingenommen, und hier soll auch die in München vielseitig erzählte Scene vor sich gegangen sein, daß die Lola, als der König einigen Zweifel über die Realität der ersichtlichen Wölbung ihres Busens andeutete, eine Scheere von des Königs Schreibtisch nahm und sich damit das Kleid vor der Brust aufschnitt. Von diesem Moment an soll die Anknüpfung des jetzigen Verhältnisses sich datiren, das mit der Zeit sich bis zu seiner jetzigen Intensität ununterbrochen fortgesponnen hat." - Konstantin von Höfler, einer der gemaßregelten Professoren der Münchener Universität, pflegte die Scene ebenso zu erzählen und fügte nur noch hinzu, es sei nicht nur die herrliche Form der Büste Lola's gewesen, die des Königs Sinne gefangen nahm, sondern insbesondere ein Reiz Lola's, wie ihn Homer dem Peleiden Achilleus nachrühmte.