Nach diesem allgemeinen Überblick sei wieder den Geschehnissen innerhalb der Münchner Stadtmauern Aufmerksamkeit geschenkt.
"Gretel in der Butten."
Bald nach des weisen Albrechts Tod kamen für München furchtbare Tage. Die Pest zog wieder durch Europa und in den Jahren 1517 und 1519 wütete sie auch in München sehr arg. Besonders im letzteren Jahre war die Sterblichkeit eine große. Furchtbare Muthlosigkeit und starres Entsetzen hatten die Einwohnerschaft ergriffen - Niemand getraute sich mehr auf die Straßen - die Stadtthore waren nur zu bestimmten Stunden geöffnet - das Zusammenstehen von Menschen in Gruppen von mehr als zwei Personen war vom Magistrate strenge verboten - alle Geschäfte, Handel und Verkehr stockten. In diesem allgemeinen Jammer sollen beim Erlöschen der Seuche die wackeren Schäffler die Ersten gewesen sein, die gegen diese allgemeine muthlose Traurigkeit anzukämpfen suchten: mit Trommel- und Pfeifenklang zogen sie aus ihrem Zunfthause und führten auf Straßen und Plätzen ihren Reifentanz auf. Und wie die Sage berichtet, gelang es ihnen auch, die Geister wieder aufzurütteln und lebensfroher zu machen.
Nun, jedenfalls ist der Schäfflertanz viel älter und verdankt sein Entstehen auch nicht dem von der Sage angeführten Grunde. Ähnliche Tänze finden sich als Zunftgebräuche in den meisten Städten*) des Mittelalters, die sich theilweise bis zum heutigen Tage erhalten haben, wie der Münchener Schäfflertanz.
Daß die lustigen Schäffler in jenen traurigen Zeiten vielleicht als die Ersten zu dem Entschlusse kamen, der allgemeinen Traurigkeit durch ihre lustigen Tänze entgegenzuarbeiten, wird wohl das Richtige sein.
Und so wie damals ziehen sie noch heute (vermöge eines kaiserl. Privilegiums) vor die Häuser angesehener Bürger und ihrer Hauptkunden, um dort den charakteristischen Reifentanz (der "große Achter" genannt) unter origineller Musikbegleitung, die sich seit Jahrhunderten erhalten hat, auszuführen. Zum Schlusse, nach dem "Reifenschwingen", trinkt dann der erste Reifenschwinger das Wohl des Gefeierten aus einem kleinen Glase.
Früher war dabei noch eine komische Figur, die sogenannte "Gretel in der Butten", betheiligt, über die Mayer erzählt: Diese war ein Lustigmacher, der ein ausgestopftes altes Weib in einer Butte auf dem Rücken trug und eine lange Wurst in der Hand
*) In Frankfurt a. M. wurde er auf dem zugefrorenen Main gehalten, in Breslau findet er noch jetzt statt, Salzburg hatte auch alle sieben Jahre seinen Schäfflertanz etc.