baten sie den Papst, er möge all ihr Eigenthum nehmen und verwalten, sie selbst wollten nur so viel, um das Leben zu fristen. Der Papst wurde über diesen Antrag nicht wenig stutzig; er erholte ein Gutachten darüber bei den Dominikanern und diese
Der verborgene Betstuhl Kaiser Ludwigs
in der Marienkapelle.
Durch das Schiebfensterchen konnte der im Kirchenbanne befindliche Herrscher die Vorgänge am Altare beobachten. (Aus Bergmann's "Beurk.-Chronik".)
behaupteten, die echte christkatholische Armuth gestatte nicht bloß Nutznießung, sondern auch Eigenthumsrecht dessen was man nutznieße, weil Letzteres ohne Ersteres "ungerecht" sei.
Diese Auslegung war dem Papste natürlich sehr bequem und zusagend und er wies daher die Minoriten nicht nur ab, sondern verfolgte sie bei jeder Gelegenheit. Die stellten sich nun ganz auf die Seite Ludwigs und wetterten von den Kanzeln auf den Papst und seine "unchristliche Überhebung und Herrschsucht". Daß das in Ausdrücken von 24 pfündiger Grobheit geschah, war nur dem Charakter der damaligen Zeit angemessen.
Eine ganze Anzahl gelehrter Minoriten standen dem Kaiser in seinem Kampfe gegen den Papst zur Seite; unter ihnen ragt Wilhelm Occam hervor, der frühere Professor der Theologie zu Paris.*) Von ihm stammt wohl auch in ihren Hauptzügen die "große Protestation", die unter Ludwigs Vorsitz auf dem von ihm einberufenen Reichstage zu Nürnberg (16. Dezember 1323) gegen das Vorgehen des Papstes beschlossen und an ihn abgesandt wurde.
*) Ihm zu Ehren hat die Stadtgemeinde München eine Straße in Schwabing Occamstraße benannt.