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So segensreich die Thätigkeit des Kunstvereins für München gewesen, so segenbringend wirkte das zweite große Kunstunternehmen aus dem Anfange des 19. Jahrhunderts: die Akademie der bildenden Künste.*)

Wie herrlich hat sie sich aus den winzigen Anfängen entwickelt und welchen Kranz glänzender Namen weist heute nach einem Jahrhundert des Bestandes der Lehrkörper dieses Institutes auf, dessen prächtiges Heim allein eine Sehenswürdigkeit ist.

Es ist gewiß doppelt interessant, einen zeitgenössischen Künstler über den gegenwärtigen Stand der Akademie urtheilen zu hören. Gerade jetzt, wo Berlin so ungeheure Anstrengungen macht, München den Rang als erste Kunststadt des Deutschen Reiches streitig zu machen. Gar emsig wurden da in dem neidischen "Spree-Athen" die Mären kolportirt, "München sei als Kunststadt im Niedergang" oder "München gehe zurück".

Der Kunstkritiker Ed. Engels von der "Münchner Ztg." hatte den guten Einfall, jenes von Berlin aus aufgeflogene Wort zu greifen und verschiedenen Koryphäen auf dem Gebiete der Kunst und Kunstkritik die "Rundfrage" vorzulegen, was sie von dem behaupteten "Niedergang Münchens als Kunststadt" hielten (Frühjahr 1902).

Dazu erklärte nun Prof. Albert v. Keller (München) Folgendes: "Der einzige Vorzug Berlins besteht in der größeren Thätigkeit seiner Kunsthändler. Dafür muß es aber dann wieder hinter München zurücktreten hinsichtlich seiner Akademie. Die Berliner Lehrer können sich mit den hiesigen nicht messen. Die Münchner Akademie hat vielleicht nur den einen Fehler, daß sie es den Lernenden zu leicht macht. Unter je schwierigeren Umständen der angehende Maler in die Kunst eingeführt wird, um so besser ist es für ihn. Man muß nur einmal in Paris nachschauen, wie's dort zugeht. Enge Räume, schlechtes Licht, Überfüllung allenthalben, im Winter schlechte Heizung, im Sommer unmäßige Hitze - da hält nur eiserne Energie und ein starkes Talent auf die Dauer Stand, während bei uns in München die Akademie vielfach als ein bequemer Vorwand zu angenehmer Müßiggängerei benutzt wird und einer Menge junger Leute zum Unterschlupf dient, die entweder später die Malerei ganz verlassen oder das große Heer der sogenannten Kitschmaler noch vergrößern helfen. Trotzdem ist soviel sicher, daß die Münchner Malerei der französischen hinsichtlich ihres Ideenreichthums überlegen ist."

Und Benno Becker sagt über die Münchner Kunstverhältnisse auf die oberwähnte Rundfrage:

"Während man früher nach München reisen mußte, um einen Überblick über deutsche und europäische Kunst zu gewinnen, oder überhaupt eine größere Sammlung von Kunstwerken zu finden, hat man heute im eigenen Städtchen oder doch in der Nähe manche Gelegenheit, zur Kunst in Beziehung zu treten.

München ist nicht mehr die einzige Zuflucht aller Kunstbedürftigen, wenigstens nicht derjenigen, deren Ansprüche keine allzuhohen sind. Aber dem feineren Auge stehen doch die Münchener Ausstellungen immer noch allen deutschen voran.


*) Der Neubau der Akademie beim Siegesthor wurde nach Plänen Gottfried v. Neureuthers in den Jahren 1875-84 ausgeführt. In Erinnerung an die Blüthezeit italienischer Kunst, hatte er für die Fassade italienische Renaissance gewählt. Die imposante Vorderfront des Gebäudes hat eine Länge von 230 Metern.

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